Hildesheim St. Michaelis
Die Kirche
St. Michaelis ist eines der bedeutendsten Bauwerke nördlich der Alpen. Der ottonische Bau, 998-1023 erbaut, wurde 1985 von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt.
Die frühromanische Kirche war Mittelpunkt einer großzügigen Klosteranlage. Sie ist ein besonderes Bauwerk mit Doppelchoranlage, zwei Querschiffen und Langhaus von gleicher Höhe. Arkadenbögen und im Wechsel stehende Säulen mit kunstvoll geschmückten Kapitellen führen zu niedrigeren Seitenschiffen mit beeindruckenden Darstellungen der Seligpreisungen. Großartig ist die flache Decke des Mittelschiffes mit Malereien aus dem frühen 13. Jahrhundert.
Unter der Choranlage im Westen befindet sich die geräumige Krypta mit der Grabstätte des Hl. Bernward. Sie wird jetzt als Gottesdienstraum von der katholischen Gemeinde genützt. Direkt vor der Grablege des Hl. Bernward, befand sich im Vierungsquadrat der abgeschlossene Raum der Mönche, eingerahmt von Engelschorschranken mit farbig bemalten Stuckreliefs. Sie entstanden Ende des 12. Jahrhunderts. Die südliche Engelchorschranke wurde 1662 wegen Baufälligkeiten in diesem Bereich abgetragen.
Bestimmend für das Bauwerk sind die beiden Vierungsquadrate im Osten und Westen, deren Größe sich in einem geordneten System in der Grundfläche der Kirche wiederfindet.
Die Orgel
Die konkreten Planungen zu einer neuen größeren symphonischen Orgel gehen auf des Jahr 1987 zurück. Von Seiten der Denkmalpflege und der UNESCO konnte man sich das von der Kirchengemeinde gewünschte große symphonische Instrument im Raum nicht vorstellen. Die ursprüngliche Orgel, eine kleine Schwalbennest-Orgel hing an der nördlichen Seitenwand im Mittelschiff.
Es fanden zwei Symposien mit Architekten und Denkmalpflegern statt. Die möglichen Standorte der neuen Orgel wurde an einem Kirchenmodell im Maßstab 1:50 an verschiedenen Stellen der Kirche und mit einem 1:1 Modell im Ostchor simuliert. Der Durchbruch zum Aufstellungsort der Orgel und zur Gestaltung des jetzigen großen symphonischen Instrumentes mit 66 Registern gelang mit der freistehenden Klang-Skulptur von 2,26 x 2,26 Metern Grundfläche und 12,53 Metern Höhe, die ihre Einmaligkeit hat. Sie ist über Eck in das nördliche Vierungsquadrat gestellt, wo ursprünglich die südliche Engelschorschranke stand.
Maße und Detailproportionen, auch im Inneren des Instrumentes, wurden von den Raummaßen in Michaelis bestimmt, dem Pied de roi, der göttlich inspirierten Harmonie der Maße, die auf musikalischen Proportionen – Octave 1:2 – Quinte 2:3 – Quarte 3:4 usw. beruht. Der pied de roi ist das Maß der Cathedralen von Chartres, Amiens, Reims und Notre Dame. Die Grundfläche der Klang-Skulptur nimmt ein Zwölftel des Vierungsquadrates ein.
Struktur und Anordnung der einzelnen Klangwerke des Instrumentes sind nach dem äußeren Erscheinungsbild und der guten Klangaussprache des Raumes angeordnet. Der Standort eignet sich besonders auch für Aufführungen mit Chor, Orchester und Orgel.
Die klanglichen Überlegungen begannen 1990, ein Jahr vor Vertragsabschluss für das Orgelwerk. Die Idee war ein Instrument, das sich klanglich in die mitteldeutsche Kulturlandschaft einreiht, die mit der Musik von Johann Sebastian Bach ihren Höhepunkt erreichte. Und es sollte ein Instrument sein, auf dem die Musik von Messiaen, deren Großartigkeit und neue Harmonien zur Geltung kommen. Der große Raum mit seiner klaren Akustik ist dafür besonders geeignet.
In meiner Zeit in Frankreich hatte ich die erfreuliche Möglichkeit, mich um die Orgel in La Trinité zu kümmern und die Zungen spielbar zu halten. Messiaen war an der Kirche organiste titulaire, so kam es des öfteren zu Begegnungen mit ihm und auch die Jahre danach blieben wir in Verbindung. 1991 trafen wir uns in Paris, um uns über das Projekt in Hildesheim auszutauschen. Wir sprachen auch über seine letzten klanglichen Ideen für seine Orgel in St. Trinitè, die dann 1993, ein Jahr nach seinem Tod, umgesetzt wurden. Seine Anregungen zu Hildesheim, besondere Stimmen und Klangfarben für sein Orgel-Oeuvre, sind in die Disposition eingegangen.
In die lange Zeit der Orgel-Findung in der Michaelis-Kirche trat Ende der 90er Jahre das Projekt der Bach-Orgel in Leipzig und damit eine intensive Beschäftigung mit Bach und seiner Musik. Diese prägte teilweise auch das klangliche der Orgel für Michaelis. So sind dort die wichtigen Stimmen für die Musik Bachs zu finden – zwei 32 Füße im Pedal. Bach bedauerte stets, dass er “keine recht große und recht schöne Orgel zu seinem beständigen Gebrauch gegenwärtig“ haben konnte.
Und es sind die besonderen Stimmen für die Musik Messiaens vorhanden: Das Récit expressif, gravitätische und lyrische Stimmen, mit zusätzlichem leiserem Bordun 32 Fuß im Pedal, ausdrucksstarke überblasende Flöten und der Gesang der Vogelstimmen – der Gesang der Engel, wie Messiaen sie nannte.
Das Instrument in Michaelis wurde 1999, zwölf Jahre nach seinen ersten Anfängen, geweiht.
Die Disposition