40 Jahre Jehan Alain – Orgel in Viersen –
eine besondere Entstehungsgeschichte
1979 – eine Anfrage: Bau einer großen Orgel für die St. Remigius Kirche in Viersen am Niederrhein. Beim ersten Besuch in Viersen, beim Eintritt in den gut proportionierten, spätgotischen Raum tauchte die Erinnerung an das erste Konzerterlebnis an einer Haerpfer Orgel auf: Marie-Claire Alain spielte ein ganzes Programm ausschließlich mit Werken ihres Bruders Jehan Alain – beeindruckend, faszinierend und begeisternd die Trois Danses. Spontan regte sich damals der Wunsch, eine Orgel speziell für diese in ihren Bann ziehende Musik zu bauen. Fünf intensive Jahre in Frankreich, in der Manufacture des Grandes Orgues de la Lorraine waren durchlebt und die eigene Werkstatt hatte bereits gute und langjährige Mitarbeiter. Hier in Viersen – tat sich mit einem Mal die Möglichkeit auf, die Vision einer Alain-Orgel zu verwirklichen.
Zusammen mit Walter Haerpfer, dem künstlerischen Leiter der Firma Haerpfer-Erman, die ihm lothringischen Boulay/Bolchen beheimatet war, war des öfteren ein Besuch im Haus Alain in Maisons-Lafitte angesagt. Dort stand die sehr eigenwillige Hausorgel, die Jehans Vater Albert über Jahrzehnte hinweg sehr improvisiert gebaut hat. Ihr Klang hat Jehan sicherlich inspiriert. Aber sein Orgeloeuvre verlangte mehr als diese Orgel konnte. Er kam aus der “Pariser Schule“ und gehörte zu den Orgelkennern, die sich auch für die klassischen Instrumente in Frankreich interessierte. Sein Orgeloeuvre ist bereits für eine “neue französische Orgel“ gedacht und geschrieben.
Aus der Lernzeit bei Walther Haerpfer gab es außerdem Aufzeichnungen und Mensuren verschiedener französischer Orgeln. Er selbst war es, der mich zu genaueren Untersuchungen nach Nancy (Merklin-Orgel in St. Epvre, 1867), Paris (Cavaillé-Coll-Mutin-Orgel in der Basilika Sacré-Coeur, 1898/1905) und Poitiers (Clicquot-Orgel in St. Pierre, 1787/91) geschickt hatte. Besonders interessant war die gemeinsame Besichtigung und Untersuchung der Dom Bédos-Orgel in Bordeaux mit Georges Lhote noch vor ihrer Restaurierung, die 1984 begann.
Jetzt, nach den Exkursionen mit Georges Lhote, konnten diese Aufzeichnungen mit anderen Augen, “schöpferisch“ gelesen werden. Mit Georges Lhote war verabredet, sich über einen gewissen Zeitraum an abgelegenen Orten zu treffen und über die inzwischen ausgearbeiteten Planzeichnungen des technischen Aufbaus sowie Pfeifenmensuren und die detaillierte Bauart von Labial- und Zungenpfeifen zu sprechen. Die Werke Grand Orgue, Positif, Bombarde sollten mehr klassisch sein, das Récit jedoch symphonisch ausgerichtet werden.
1984 wurde das Viersener Instrument fertiggestellt und somit erstmals in Deutschland eine französisch- klassisch-symphonische Orgel realisiert: mit mechanischer Spiel- und Registertraktur und “Appels“, mit klassischem und symphonischem Wind, mit unterschiedlich gebauten Labial- und Zungenstimmen. Es war ein Orgelwerk entstanden, das von der Orgelmusik von Jehan Alain, besonders den Trois Danses inspiriert ist. Das Instrument ist Jehan Alain gewidmet.
Orgel-Anlage:
Positiv – I. Clavier, in die Brüstung als Rückpositiv eingebaut, Montre 8’ ab F im Prospekt.
Grand-Orgue – II. Clavier, bildet den Mittelteil des Hauptcorpus, mit angebautem Spielschrank
Récit – III. Clavier, freistehend, etwas erhöht hinter dem Grand-Orgue, spricht nach drei Seiten.
Bombardes – IV. Clavier, steht auf der Windlade des Grand-Orgue, zum Stimmgang hin angeordnet.
Pédale – das Pfeifenwerk ist hinter den geschwungenen Außenfeldern und Abschlusstürmen positioniert.
Die zentrale Windanlage
bildet den rückwärtigen Abschluss der Orgel mit unterschiedlichen Bälgen und Winddrücken.
Die zentrale Windanlage
bildet den rückwärtigen Abschluss der Orgel mit unterschiedlichen Bälgen und Winddrücken.
Das Gehäuse
orientiert sich am klassischen französischen Orgeltypus, ohne ihn zu kopieren, vielmehr: „in unsere Zeit übertragen“. Rahmen und Füllungen von Hauptgehäuse und Rückpositiv sind aus Fichte und in Tempera gefasst. Die plastischen Abschlüsse der Türme sind aus Linde, versilbert und farblich gelüstert.
Die Windladen
sind Schleifladen mit unterschiedlicher Pfeifenaufteilung:
Positif, Grand-Orgue und Bombarde in Terzaufstellung, mit harmonischer Klangverschmelzung.
Récit expressif ist chromatisch aufgestellt, mit unharmonischer Klangverschmelzung.
Pédale ist in C- und Cs-Seite geteilt, mit neutraler Klangverschmelzung.
Der Spieltisch
ist ans Hauptgehäuse angebaut.
Die Spiel-Anlage ist nach historischen Vorbildern mit unterschiedlichen Vordertastenlängen und Anschlagscharakteristiken ausgestattet,
Die Klaviaturteilung ist an Cavaillé-Coll orientiert, d.h. Tastenbreiten und Zwischenräume wurden pro Octavraum differenziert.
Nach dem System Cavaillé-Coll sind auch die Koppeleinschaltungen angeordnet: als Tritte links vom Schwelltritt in Wechselwirkung mit den Handregistern.
Die Spieltraktur
ist auf allen Werken angehängt, mit mechanischen Koppeln und Oktavkoppel. Die Verbindungen bestehen aus Holz- und Eisenwellen, Holzabstrakten und Messingdrähten, mit Regulierung durch Ledermuttern.
Die Registertraktur
ist mechanisch. Die Registerzüge sind rechts und links der Klaviaturen angeordnet, in Verbindung mit den Appels (als Tritte).
Die Pfeifen
wurden in unserer Pfeifenwerkstatt hergestellt:
- aus gegossenem, handgehobeltem Material. Principale und Flöten in Zinn/Blei-Legierungen, zum Pfeifenrand hin ausgedünnt, die Bourdons aus Blei,
- je nach Klangcharakter sind die Kerne aus Blei oder legiertem Zinn,
- alle Pfeifen sind auf Tonlänge geschnitten bzw. zugelötet. Die romantischen Streicher- und Flötenstimmen haben Expressionsschlitze, Seiten- und Streichbärte.
Die Zungenregister
wurden in unserer Werkstätte hergestellt.
- Becher aus gegossenem, handgehobeltem Material, zum Rand hin ausgedünnt,
- Stiefel und Nüsse aus Blei, in Form und Bauweise nach Dom Bédos bzw. Cavaillé-Coll,
- Messingkehlen in unterschiedlicher Form geschmiedet, Zungenblätter entsprechend zugeschnitten.
Die zentrale Windanlage
besteht aus Keil- und Magazinbälgen mit Winddrücken zwischen 75 und 110 mm WS:
im Baßbereich schwächer, im Diskant stärkerer Winddruck im Positif wie im Grand-Orgue
im Récit im Baß starken – im Diskant 110 mm WS den stärksten Winddruck
im Bombarde stärkerer Winddruck
im Pédale schwächerer Winddruck


