Aus unserer Werkstatt

Restaurierung einer
Mitteldeutschen Orgel von 1686

Die Mitteldeutsche Kulturlandschaft im 17. und 18. Jahrhundert

Ab Ende des 17. und im 18. Jahrhundert war im Besonderen die Mitteldeutsche Kulturlandschaft prägend für Deutschland und Europa. Kurfürsten, Königshäuser, Landgrafen und Städte wetteiferten in Kunst und Kultur. Die höfische Musik, die Kirchenmusik, der Instrumentenbau und der Orgelbau profitierten davon maßgeblich. Musikwissenschaftler, Komponisten, Musiker und Instrumentenbauer arbeiteten zusammen und schufen Beispielloses.

In Thüringen, mit dem Zentrum Erfurt, wirkten hervorragende Komponisten, Organisten und Orgelbauer, die musikalisch und instrumentenbaulich weit über die Grenzen des Landes hinaus eine besondere Ausstrahlungskraft hatten und den Orgelstil prägend bestimmten. Die Orgel- und Instrumentenkunde wurde in dieser Zeit von der herausragenden Persönlichkeit Jakob Adlung aus Erfurt geprägt, der an der dortigen Universität lehrte und gleichzeitig als Organist in der Rats- und Predigerkirche wirkte. Seine „Musica Mechanica Organoedi“ Band I und II. hat unschätzbaren Wert für das Erleben und Erforschen des thüringischen und mitteldeutschen Orgelbaus.

Eine tragende und wichtige Rolle spielte die weit verzweigte Bachfamilie, die den Orgel- und Instrumentenbau und das musikalische Schaffen in Thüringen wechselseitig inspirierte. Johann Ambrosius Bach und Maria Elisabeth Lämmerhirt, in der Kaufmannskirche in Erfurt getraut, sind die späteren Eltern von Johann Sebastian. Der junge Johann Sebastian hatte Organistenämter in Arnstadt, Mülhausen und Weimar inne. Seine Musik wurde zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.

Die Mitteldeutsche Orgel von 1686

Das Instrument ist musikalisch und in seiner instrumentenbaulichen Anlage der Erfurter Schule zuzuordnen, die maßgeblich durch Instrumente von Christoph Junge beeinflusst wurde. Zuletzt durch seine größeren Instrumente im Dom und in der Kaufmannskirche zu Erfurt. Während der Arbeiten an den beiden Orgeln verstarb er plötzlich. Die Orgel der Kaufmannskirche vollendete sein Meistergeselle Johann Albrecht 1688.

Das Instrument von 1686 ist äußerlich mit feinen Profilen gearbeitet, hat eine kostbare und aufwendige Bemalung von Gehäuse, Bekrönungen und “Ohren“ rechts und links. Das Schnitzwerk im Prospektfeld ist vergoldet. Das Orgelwerk stand ebenerdig frei im Raum. Vokalsolisten und Instrumentalisten konnten sich zwanglos um das Instrument gruppieren. Es diente der musikalischen Begleitung besonderer Anlässe, der Aufführung der wöchentlichen Motette und Kantate, sowie der Gestaltung der Kirchenfeste und Gottesdienste.

Das Äußere des Instrumentes

Das Gehäuse

Das Instrument besticht durch die gut gewählten Proportionen des Gehäuses. Der Unterbau ist für eine freistehende Aufstellung gedacht, mit angebauter Spielanlage und Öffnungen für das dahinterliegende Positiv. Darüber das harmonisch gegliederte Prospektfeld mit gerundetem, erhöhtem Mittelturm, zwei geteilten Zwischenfeldern und gleich hohen Außenfeldern. Der Unterbau und das Prospektfeld sind in historischer Farbtechnik, in Tempera bemalt.

Die Verzierungen

Der Prospekt ist mit fein geschnitztem, filigranem, vergoldetem Schnitzwerk und dem vergoldeten Cimbelstern ausgestaltet. Oben ist er mit filigranen Aufsätzen abgeschlossen. Besonderheiten sind die verzierten Mittelpfeifen in den Prospektfeldern, die die Proportionen des Gehäuses ergänzen und die gespiegelten Diskantfelder, die klanglich hervorgehoben sind. Das Gehäuse, die Bemalung, das vergoldete Schnitzwerk und die verzierten Pfeifen bilden eine Einheit. Sie geben dem Instrument Größe und Festlichkeit.

Das Pfeifenwerk

Das Pfeifenwerk im Inneren des Instrumentes ist schön gearbeitet und wurde in unserer Pfeifenwerkstatt restauriert. Die Metallpfeifen sind aus unterschiedlichen Zinn-Blei-Legierungen, die Holzpfeifen aus verschiedenen Hölzern gearbeitet.

Klanglich interessant sind die originale Posaune 16 im Pedal und die Trompete 8 im Oberwerk.

Die Disposition

Die Disposition ist besonders für die Musik Johann Sebastian Bachs und der Frühromantik geeignet: festliche Pleni mit den Zungenregistern für die großen Präludien und Fugen, differenzierte, farbige Begleit- und Soloregister zur Begleitung der Chöre, Instrumentalisten und Sänger.

Die Mitteldeutsche Orgel ist ein vielfältiges Soloinstrument, ein Kantatenorchester, ein Instrument für die Musik der “empfindsamen Zeit“ – die Musik der Söhne und der Schüler Bachs und der Tonmalereien der Frühromantik.

Die Bälge

Die Orgel ist ein Blasinstrument. Die noch vorhandenen historischen Bälge sind eine weitere Besonderheit und entscheidend für den Klang des Instrumentes. Die Balganlage besteht aus drei historischen Spanbälgen, die übereinander in einem gesonderten Gestell liegen. Die Balganlage kann auch von einem Calcanten bedient werden. Mit der entsprechenden Kanalanlage wirkt der Orgelwind elegant, entspannt und atmend. Bei Konzerten oder Vorführungen des Instrumentes übt das Zusammenspiel von Spieler und Calcanten eine besondere Faszination auf die Hörer aus.

Die Balginnenseiten

Die historischen Bälge wurden von außen durch mehrfaches Neubeledern und im Inneren mit für uns heute interessanten Notenblättern, Zeitungspapieren, Jahreskalendern und Schriften zusätzlich abgedichtet.